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m Herbst 2022 teilte die Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE) mit, dass sich die Suche nach dem bestmöglichen Standort für ein deutsches Endlager für hochradioaktive Abfälle erheblich verlängern wird. Nach dem Standortauswahlgesetz wird das Jahr 2031 für die Festlegung eines Standortes angestrebt – der neue Zeitplan der BGE sieht jedoch eine Verlängerung des Auswahlprozesses um mindestens 15 Jahre vor, die Entscheidung für einen Standort könnte sogar erst in den späten 2060er Jahren fallen. Was sind die Gründe für diese Verlängerung? Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für den Beteiligungsprozess und die Kommunen? Ist die Finanzierung über einen so langen Zeitraum überhaupt gesichert, und wie sieht es mit der Sicherheit der Zwischenlager aus?

Diese Fragen wurden auf der fünften Dialogveranstaltung des Niedersächsischen Begleitforums Endlagersuche von und mit Umweltminister Christian Meyer, Steffen Kanitz (stellvertretender Vorsitzender der BGE), Susanne Gerstner (Vorsitzende des BUND Niedersachsen), Martin Donat (Vertreter des Landkreises Lüchow-Dannenberg) und Ina Stelljes (Abteilungsleiterin für Öffentlichkeitsbeteiligung beim BASE) intensivdiskutiert.

Umwelt- und Energieminister Meyer forderte angesichts der neuen Zeitplanung und jüngsten Debatten um den Atomausstieg, weiter mit Hochdruck an dem Thema zu arbeiten: „Die Zwischenlagernutzung durch neue aufwendige Genehmigungsverfahren deutlich zu verlängern ist sicherheitspolitisch keine gute Lösung. Wir brauchen ein sicheres Endlager, auch für den schwach- und mittelradioaktiven Abfall aus der Asse und dem Rückbau der Atomkraftwerke – und das in absehbarer Zeit! Hier müssen alle an einem Strang ziehen“, betonte Minister Meyer. „Wir können das Thema nicht den kommenden Generationen aufbürden, hier müssen wir auch Verantwortung übernehmen. Wir brauchen Gründlichkeit, Transparenz, aber auch die Prüfung von Beschleunigungspotentialen, damit die oberirdische Zwischenlagerung kein Dauerzustand wird.“

Steffen Kanitz erläuterte in seiner Präsentation die angepassten Zeitbedarfe im Standortauswahlverfahren. Er stellte die Herausforderung dar, ein gründliches Verfahren, das ein hohes Maß an Sicherheit gewährleisten soll, in angemessener Zeit durchzuführen. Fest stehe, dass insbesondere durch erforderliche umfangreichere Erkundungsmaßnahmen nicht nur der Sicherheitsgewinn zunehme, sondern auch der zeitliche Bedarf für die Standortsuche steige.

Ein wichtiges Thema für alle Beteiligten war die Frage der „Sicherheit der Zwischenlager“. Mit der verlängerten Standortsuche müssen die bestehenden Zwischenlager für hochradioaktive Abfälle länger betrieben werden. Dieser Sachverhalt wurde intensiv mit einem Vertreter der BGZ diskutiert – unter anderem bezogen auf die nötigen Genehmigungsverlängerungen, aber auch die Sorge, dass sich die Zwischenlager zu Endlagern entwickeln und die Bürgerinnen und Bürger vor Ort auf unbestimmte Zeit belasten könnte.

Die Diskussionsteilnehmerinnen und -Teilnehmer waren sich darüber einig, die Endlagerung in tiefen geologischen Formationen vorzunehmen. Dabei ergaben sich Fragen zu den repräsentativen vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen (rvSU), die von der BGE unter anderem am niedersächsischem Salzstock Bahlburg (LK Harburg) durchgeführt werden. Steffen Kanitz betonte, dass ein möglicher Kenntnisgewinn durch die Anwendung der rvSU keine Vorfestlegung für das betrachtete Gebiet im Standortauswahlverfahren bedeute.

Schließlich wurde „Kompetenzerhalt und Ausbildung von Nachwuchskräften“ besprochen. Insbesondere die junge Generation müsse in Zukunft stärker in die Thematik einbezogen werden. Dafür sei es notwendig, gezielt Interesse zu erzeugen und zu fördern – auch weil Sorge besteht, dass mit zunehmender Verlängerung des Standortauswahlverfahrens auch dieses Interesse weiter abnimmt.

5. Niedersächsisches Begleitforum Endlagersuche: Verlängerung der Endlagersuche – Was nun?

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Welche Gesteinsformationen kommen in Frage?

Tonstein

Tonsteine gehören zur Gruppe der Sedimentgesteine, die aus älteren Gesteinen durch Prozesse der Verwitterung, der Erosion, des Transports und anschließender Sedimentation und Verfestigung hervorgegangen sind. Durch Ablagerung in ruhigen Gewässern, z. B. in küstenfernen Bereichen von Seen und Meeren sowie in Stillwasserbereichen von Flusssystemen bilden sich zunächst unverfestigte Tone. Sie entstehen, wenn gröbere und schwerere Körner bereits sedimentiert wurden und nur noch die feinen, im Wasser schwebenden Ton-Partikel in ruhige, strömungsarme Bereiche gelangen und sich dort absetzen können. Tone werden zu Tonsteinen, indem sie durch zunehmende Überlagerung von anderen Sedimenten immer stärker kompaktiert und verfestigt werden.

Tonsteine unterscheiden sich von den übrigen Sedimentgesteinen dadurch, dass sie überwiegend aus Partikeln mit der kleinsten Korngröße, der Tonfraktion (< 0,002 mm), bestehen. Bei den zumeist plattigen Ton-Partikeln handelt es sich hauptsächlich um die sogenannten Tonminerale, wie z. B. Kaolinit, Montmorillonit und Illit. Diese sind bei der chemischen Verwitterung neu entstanden. Untergeordnet bestehen Tonsteine auch aus mechanisch oder chemisch zerkleinerten Fragmenten von Mineralen wie beispielsweise Quarz,Muskovit, Feldspat und Karbonat. Geringfügige Beimengungen von beispielsweise Limonit, Hämatit, Chlorit oder auch organische Kohlenstoffverbindungen sind für die unterschiedlichen Farben (grau, schwarz, rot, grün) von Tonsteinen verantwortlich.

Tonsteine verfügen über eine hohe Dichtheit. Sie sind aufgrund ihrer feinen Körnung nur schwer durchlässig für Flüssigkeiten und Gase und wirken im geologischen Untergrund somit als Barrieregesteine. Darüber hinaus sind sie aufgrund der Struktur und der großen Oberfläche der Tonminerale in der Lage, Ionen - z. B. Schwermetalle oder Radionuklide -  reversibel zu binden. Man spricht hier auch von Adsorption. Im Kontakt mit Wasser reagieren Tonminerale quellfähig und sind dadurch in der Lage, Risse zu schließen.

Als Tonsteinformation ist eine oft mehrere Meter bis über hundert Meter mächtige Abfolge von Tonsteinen zu verstehen. Da in der Natur keine reinen Tonsteine in so großen Mächtigkeiten vorkommen, sind insolchen Formationen häufig geringfügige Beimengungen oder geringmächtige Lagen aus sandigem, siltigem, karbonatischem, organischem oder sonstigem Material enthalten.

Bildrechte: LBEG

Kristallingestein

Kristallingesteinsformationen sind in mehreren Ländern als Wirtsgesteinsformationen für die Einlagerung von hoch radioaktiven Abfällen vorgesehen. Im internationalen Sprachgebrauch werden diese Gesteinskomplexe als „crystalline basement“ bezeichnet und beziehen sich in der Endlagerung vor allem auf plutonische oder bestimmte metamorphe Gesteine. Daneben werden auch Vulkanite, wie beispielsweise Porphyrite, von einigen Ländern auf ihre Eignung als mögliche Wirtsgesteine untersucht.

Plutonische Gesteine entstehen aus Gesteinsschmelzen (Magmen), die aus großer Tiefe in die Erdkruste aufsteigen und dort langsam abkühlen. Nacheinander kristallisieren verschiedene Minerale (z. B. Glimmer, Feldspat, Quarz) aus und es entstehen jenach Bildungsbedingungen unterschiedliche Gesteinsarten und –varietäten. Granite sind die häufigsten Vertreter der plutonischen Gesteine und treten in zahlreichen Varietäten auf, die meist mit regionalen Namen bezeichnet werden, wie z. B. der Okergranit aus dem Harz oder der Ålandgranit aus Skandinavien. Daneben zählen unter anderem Diorite, Gabbros und Peridotite zu den Plutoniten.

Metamorphe Gesteine sind während Gebirgsbildungsprozessen unter erhöhten Druck- und Temperaturbedingungen in großen Tiefen entstanden. Sie sind ohne Aufschmelzung chemisch und strukturell aus älteren Gesteinen umgewandelt worden. Je nach Ausgangsmaterial und Druck-/Temperatur-Bedingungen entstehen dabei viele unterschiedliche Gesteine, die sich durch Mineralbestand und Gefügemerkmale unterscheiden lassen. Beispiele für häufige metamorphe Gesteine sind z. B.Gneise, Amphibolite oder Eklogite. Kommt es bei der Gesteinsumwandlung zu Teilaufschmelzungen (Anatexis), entstehen Migmatite.

Plutonische und metamorphe Gesteinsmassive sind in großen Tiefen in der Erdkruste gebildet worden. Sie werden erst lange nach ihrer Entstehung durch tektonische Geländehebungenund Erosion der überlagernden Gesteinsschichten an der Oberfläche sichtbar.

Kristallingesteinsformationen zeichnen sich durch eine hohe Festigkeit, sehr geringes Lösungsverhalten und hohe Temperaturbelastbarkeit aus. Endlagerbergwerke weisen daher eine hohe Stabilität auf, müssen aber wegen der Klüftigkeit der Gesteine mit geotechnischen Barrieren versehen werden.

Steinsalz

Der Untergrund Norddeutschlands ist reich an Salzvorkommen, die sich im Laufe der Erdgeschichte in Sedimentationsbecken durch Verdunstung (Evaporation) der im Meerwasser gelösten Salze gebildet haben. Insbesondere die vor ca. 255 Mio. Jahren gebildeten und primär bereits sehr mächtigen Salzgesteinsformationen des Zechstein haben durch Mobilisationsprozesse in den nachfolgenden Mio. Jahren einen großen Formenreichtum erfahren.

Die Lagerung der Salzgesteine lässt sich grundsätzlich unterteilen in die „flache Lagerung“, worunter eine weitgehend schichtparallele „ursprüngliche“ Lagerung zu verstehen ist und die „steile Lagerung“, die durch z. T. erhebliche Salzwanderungsprozesse und Akkumulationen entstanden ist. Als Strukturformen haben sich z. B. Salzkissen, Salzsättel, Salzstöcke und Salzmauern entwickelt. In diesen Strukturen sind durch Verformungs- und Bruchprozesse der Salzgesteine z. T. komplexe Lagerungsverhältnisse entstanden.

Salzformationen sind im Allgemeinen zyklisch aufgebaut. Ein kompletter Zyklus besteht aus einer charakteristischen Abfolge von Karbonaten wie Dolomit und Kalkstein, Sulfaten wie Gips bzw. Anhydrit sowie Steinsalz und Kalisalzen. Innerhalb der Salzformationen gibt es Unterbrechungen oder Wiederholungen von Zyklusteilen. Ziel der Suche im Rahmen des Standortauswahlprozesses sind weitgehend homogene möglichst mächtige Steinsalz­bereiche, die als schützende geologische Barriere dienen.

Steinsalz weist als Wirtsgestein eine Reihe von positiven Eigenschaften auf, wie z. B. eine hohe spezifische Wärmeleitfähigkeit und Temperaturbelastbarkeit sowie eine geringe Durchlässigkeit. Aufgrund der besonderen Eigenschaft des kriechenden Verformungsverhaltens werden die Abfälle mit der Zeit komplett eingeschlossen. Da Steinsalz eine hohe Löslichkeit gegenüber ungesättigten Lösungen aufweist, ist der zusätzliche Schutz durch einen günstigen Aufbau des Deckgebirges mit u. a. grundwasserhemmenden Gesteinengegen unterirdische Ablaugungsvorgänge in der Abwägung ein wichtiges Kriterium.

Bildreche: LBEG
Verfasst am 
25.4.2023