D

er Vorhang fällt am 28. September. Dann wird in Berlin die Liste der Regionen für ein mögliches Atommüll-Endlager offiziell vorgestellt. Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies sieht das Land gut gerüstet für die hochemotionalen Debatten.

„Niedersachsen steht in der Frage Atom-Endlager zusammen“, lautete die Bilanz des Ministers in Hannover nach einer intensiven Diskussionsrunde in der Neustädter Hofkirche. Große gesellschaftliche Organisationen, Abgeordnete des Niedersächsischen Landtags und Multiplikatoren debattierten mit Minister Lies und Landesbischof Ralf Meister über die Herausforderungen für Niedersachsen, wenn voraussichtlich zahlreiche Regionen Niedersachsens für ein Atomendlager in Frage kommen sollten.

Niedersachsen steht in der Frage Atom-Endlager zusammen

„Wenn die Entscheidung am Ende nicht fair, transparent und anhand nachprüfbarer Kriterien getroffen wird, dann haben wir alle verloren“, warnte Lies mit Blick auf die leidvollen, jahrzehntelangen Atomdebatten gerade in Niedersachsen.

Zugleich versprach der Umweltminister: „Diese Landesregierung steht für eine faire und offene Endlagersuche – und zwar bundesweit. Deshalb werde ich gerade als Umweltminister zugleich Anwalt der Bürgerinnen und Bürger in diesem Prozess sein. Transparenz und intensive Bürgerbeteiligung – an diesen Prinzipien des Standortsuchgesetzes darf nicht gerüttelt werden“, forderte Lies, der in der Neustädter Kirche zugleich den Startschuss für ein „Niedersächsisches Begleit-Forum Endlager“ gab –einem überparteilichen Bündnis von Politik und Zivilgesellschaft sowie allen relevanten Akteurinnen und Akteuren auch auf regionaler Ebene. „Bürgerinnen und Bürger, Organisationen, Kirchenvertreter und Initiativen treffen sich bis zu dreimal im Jahr, um den Suchprozess kritisch zu begleiten. Das Begleitforum sammelt Bürger-Anregungen, formuliert Beschwerden und regt Initiativen für die Landespolitik an. Das Forum formuliert die Forderungen aus Niedersachsen während des gesamten Suchprozesses – auch über Legislaturperioden hinweg“, nannte Lies die wichtigsten Ziele: „Das Begleitforum soll in der Endlager-Debatte zugleich ein Seismograph und Frühwarnsystem sein.“ Begleitet und koordiniert wird das Forum durch das Umweltministerium.

 

Olaf Lies plädiert für einen fairen Suchprozess
Heiner Baumgarten, Vorsitzender der Umweltorganisation BUND in Niedersachsen, lobte nachdrücklich die Gründung eines Begleitforums Atom-Endlager. „Ich danke Umweltminister Lies, dass diese Veranstaltung zustande gekommen ist. Es ist unglaublich wichtig, sich auszutauschen. Gerade auch in den betroffenen Regionen. Ebenso wichtig wird sein, das Thema Zwischenlager für Atommüll in den Fokus zu nehmen.“

 

Ralf Meister, Landesbischof der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, sagte in seinem Eingangsstatement: „Das Begleitforum ist eine absolut sinnvolle und notwendige Initiative. Das Land Niedersachsen ist in einer besonderen Verantwortung. Bevor der Bund die Teilgebiete offiziell vorstellt, ist es ein wichtiges Zeichen schon jetzt zu sagen: Da kommt ein sehr großes Thema auf ganz Niedersachsen zu. Und da braucht es eine verantwortungsbewusste Politik, die aufpasst, dass hier nicht sofort gegeneinander gekartet wird, dass nicht alle rufen „wir können es nicht sein, ihr müsst es sein“, sondern dass es ein faires Verfahren in der Folge gibt – und die gesetzlichen Vorgaben gewahrt werden.“

 

Umweltminister Lies ergänzte: „Der Stellenwert eines Niedersächsischen Begleitforums ergibt sich aus dem Blick in die unheilvolle Vergangenheit. Der Umgang mit Asse und Gorleben haben bei vielen Bürgern zu einem starken Misstrauen und einer begründeten Skepsis geführt.“ Die geplante Informations-Kampagne zur Bürgerbeteiligung durch die Landesregierung mit dem Kernelement Begleit-Forum „soll in der politischen Debatte Chancengleichheit schaffen für die Betroffenen in möglichen Endlager-Regionen, damit sie sich Gehör verschaffen“, so Lies: „Das Forum bietet die große Chance für den Austausch zwischen Bürgerinnen und Bürgern, politischen Mandatsträgern und gesellschaftlichen Interessensvertretern auf Landesebene“. 

 

Der Austausch zwischen den Akteuren ist ein wichtiger Bestandteil des Begleitforums

Für die Landesregierung setzte der Umweltminister zugleich klare politische Pflöcke: „Ich sage Ja zu einem Atomendlager in Deutschland, weil wir uns als verantwortliche Generation nicht aus der Verantwortung für die nachfolgenden Generationen stehlen können; ich sage Nein zum Export von Atommüll; ich sage Ja zum Standortsuch-Gesetz, weil es keinen besseren Weg gibt, und ich sage Ja zu einer breiten Bürgerbeteiligung gerade auch von jungen Leuten“. Für den Umweltminister lautet das Signal von Hannover: „Das Endlagersuchgesetz stellt höchste Ansprüche an die Standortsuche mit bestmöglichen Sicherheit, Rückholbarkeit der Abfälle und eine Standortsicherheit für eine Million Jahre. Dafür wird der richtige Ort gesucht. Niedersachsen wird genau darauf achten, dass dieser Prozess in ganz Deutschland stattfindet.“

 

Erfolgreicher Start für „Begleitforum“

Download
0:00
0:00

Welche Gesteinsformationen kommen in Frage?

Tonstein

Tonsteine gehören zur Gruppe der Sedimentgesteine, die aus älteren Gesteinen durch Prozesse der Verwitterung, der Erosion, des Transports und anschließender Sedimentation und Verfestigung hervorgegangen sind. Durch Ablagerung in ruhigen Gewässern, z. B. in küstenfernen Bereichen von Seen und Meeren sowie in Stillwasserbereichen von Flusssystemen bilden sich zunächst unverfestigte Tone. Sie entstehen, wenn gröbere und schwerere Körner bereits sedimentiert wurden und nur noch die feinen, im Wasser schwebenden Ton-Partikel in ruhige, strömungsarme Bereiche gelangen und sich dort absetzen können. Tone werden zu Tonsteinen, indem sie durch zunehmende Überlagerung von anderen Sedimenten immer stärker kompaktiert und verfestigt werden.

Tonsteine unterscheiden sich von den übrigen Sedimentgesteinen dadurch, dass sie überwiegend aus Partikeln mit der kleinsten Korngröße, der Tonfraktion (< 0,002 mm), bestehen. Bei den zumeist plattigen Ton-Partikeln handelt es sich hauptsächlich um die sogenannten Tonminerale, wie z. B. Kaolinit, Montmorillonit und Illit. Diese sind bei der chemischen Verwitterung neu entstanden. Untergeordnet bestehen Tonsteine auch aus mechanisch oder chemisch zerkleinerten Fragmenten von Mineralen wie beispielsweise Quarz,Muskovit, Feldspat und Karbonat. Geringfügige Beimengungen von beispielsweise Limonit, Hämatit, Chlorit oder auch organische Kohlenstoffverbindungen sind für die unterschiedlichen Farben (grau, schwarz, rot, grün) von Tonsteinen verantwortlich.

Tonsteine verfügen über eine hohe Dichtheit. Sie sind aufgrund ihrer feinen Körnung nur schwer durchlässig für Flüssigkeiten und Gase und wirken im geologischen Untergrund somit als Barrieregesteine. Darüber hinaus sind sie aufgrund der Struktur und der großen Oberfläche der Tonminerale in der Lage, Ionen - z. B. Schwermetalle oder Radionuklide -  reversibel zu binden. Man spricht hier auch von Adsorption. Im Kontakt mit Wasser reagieren Tonminerale quellfähig und sind dadurch in der Lage, Risse zu schließen.

Als Tonsteinformation ist eine oft mehrere Meter bis über hundert Meter mächtige Abfolge von Tonsteinen zu verstehen. Da in der Natur keine reinen Tonsteine in so großen Mächtigkeiten vorkommen, sind insolchen Formationen häufig geringfügige Beimengungen oder geringmächtige Lagen aus sandigem, siltigem, karbonatischem, organischem oder sonstigem Material enthalten.

Bildrechte: LBEG

Kristallingestein

Kristallingesteinsformationen sind in mehreren Ländern als Wirtsgesteinsformationen für die Einlagerung von hoch radioaktiven Abfällen vorgesehen. Im internationalen Sprachgebrauch werden diese Gesteinskomplexe als „crystalline basement“ bezeichnet und beziehen sich in der Endlagerung vor allem auf plutonische oder bestimmte metamorphe Gesteine. Daneben werden auch Vulkanite, wie beispielsweise Porphyrite, von einigen Ländern auf ihre Eignung als mögliche Wirtsgesteine untersucht.

Plutonische Gesteine entstehen aus Gesteinsschmelzen (Magmen), die aus großer Tiefe in die Erdkruste aufsteigen und dort langsam abkühlen. Nacheinander kristallisieren verschiedene Minerale (z. B. Glimmer, Feldspat, Quarz) aus und es entstehen jenach Bildungsbedingungen unterschiedliche Gesteinsarten und –varietäten. Granite sind die häufigsten Vertreter der plutonischen Gesteine und treten in zahlreichen Varietäten auf, die meist mit regionalen Namen bezeichnet werden, wie z. B. der Okergranit aus dem Harz oder der Ålandgranit aus Skandinavien. Daneben zählen unter anderem Diorite, Gabbros und Peridotite zu den Plutoniten.

Metamorphe Gesteine sind während Gebirgsbildungsprozessen unter erhöhten Druck- und Temperaturbedingungen in großen Tiefen entstanden. Sie sind ohne Aufschmelzung chemisch und strukturell aus älteren Gesteinen umgewandelt worden. Je nach Ausgangsmaterial und Druck-/Temperatur-Bedingungen entstehen dabei viele unterschiedliche Gesteine, die sich durch Mineralbestand und Gefügemerkmale unterscheiden lassen. Beispiele für häufige metamorphe Gesteine sind z. B.Gneise, Amphibolite oder Eklogite. Kommt es bei der Gesteinsumwandlung zu Teilaufschmelzungen (Anatexis), entstehen Migmatite.

Plutonische und metamorphe Gesteinsmassive sind in großen Tiefen in der Erdkruste gebildet worden. Sie werden erst lange nach ihrer Entstehung durch tektonische Geländehebungenund Erosion der überlagernden Gesteinsschichten an der Oberfläche sichtbar.

Kristallingesteinsformationen zeichnen sich durch eine hohe Festigkeit, sehr geringes Lösungsverhalten und hohe Temperaturbelastbarkeit aus. Endlagerbergwerke weisen daher eine hohe Stabilität auf, müssen aber wegen der Klüftigkeit der Gesteine mit geotechnischen Barrieren versehen werden.

Steinsalz

Der Untergrund Norddeutschlands ist reich an Salzvorkommen, die sich im Laufe der Erdgeschichte in Sedimentationsbecken durch Verdunstung (Evaporation) der im Meerwasser gelösten Salze gebildet haben. Insbesondere die vor ca. 255 Mio. Jahren gebildeten und primär bereits sehr mächtigen Salzgesteinsformationen des Zechstein haben durch Mobilisationsprozesse in den nachfolgenden Mio. Jahren einen großen Formenreichtum erfahren.

Die Lagerung der Salzgesteine lässt sich grundsätzlich unterteilen in die „flache Lagerung“, worunter eine weitgehend schichtparallele „ursprüngliche“ Lagerung zu verstehen ist und die „steile Lagerung“, die durch z. T. erhebliche Salzwanderungsprozesse und Akkumulationen entstanden ist. Als Strukturformen haben sich z. B. Salzkissen, Salzsättel, Salzstöcke und Salzmauern entwickelt. In diesen Strukturen sind durch Verformungs- und Bruchprozesse der Salzgesteine z. T. komplexe Lagerungsverhältnisse entstanden.

Salzformationen sind im Allgemeinen zyklisch aufgebaut. Ein kompletter Zyklus besteht aus einer charakteristischen Abfolge von Karbonaten wie Dolomit und Kalkstein, Sulfaten wie Gips bzw. Anhydrit sowie Steinsalz und Kalisalzen. Innerhalb der Salzformationen gibt es Unterbrechungen oder Wiederholungen von Zyklusteilen. Ziel der Suche im Rahmen des Standortauswahlprozesses sind weitgehend homogene möglichst mächtige Steinsalz­bereiche, die als schützende geologische Barriere dienen.

Steinsalz weist als Wirtsgestein eine Reihe von positiven Eigenschaften auf, wie z. B. eine hohe spezifische Wärmeleitfähigkeit und Temperaturbelastbarkeit sowie eine geringe Durchlässigkeit. Aufgrund der besonderen Eigenschaft des kriechenden Verformungsverhaltens werden die Abfälle mit der Zeit komplett eingeschlossen. Da Steinsalz eine hohe Löslichkeit gegenüber ungesättigten Lösungen aufweist, ist der zusätzliche Schutz durch einen günstigen Aufbau des Deckgebirges mit u. a. grundwasserhemmenden Gesteinengegen unterirdische Ablaugungsvorgänge in der Abwägung ein wichtiges Kriterium.

Bildreche: LBEG
Verfasst am 
29.9.2020